Personal an deutschen Universitäten

Die folgenden Punkte helfen Ihnen vielleicht, Ihre Universität und das Personal dort besser zu verstehen. Wie in jeder Organisation haben angestellte Personen unterschiedliche Status, auch wenn es für Sie vielleicht alles Dozierende sind. Dozent bzw. Dozentin sind einfach nur Oberbegriffe für Person, die an der Universität lehrt.

Eventuell können Sie aus meiner Darstellung gelegentlich eine gewisse Desillusionierung bezüglich des (deutschen) Universitätssystems herauslesen. Ja. Ich befinde mich jetzt in der glücklichen Situation, dass ich diese Desillusionierung (freilich gebührend kultiviert) zeigen kann.

Akademische Grade und Dienstränge

  • Die Promotion ist eine Art Prüfung zum Ziel der Erlangung des Doktorgrades. Wie bei einem Master wird eine Abschlussarbeit (die Dissertation) vorgelegt, und es gibt einen mündlichen Prüfungsteil, der je nach Fakultät unterschiedlich geregelt ist (Disputation oder Rigorosum). Die Dissertation befähigt zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten. Dass man darüberhinaus so gut wissenschaftlich arbeiten und lehren kann, dass man für eine Professur qualifiziert ist, beweist man durch eine weitere, aber diesmal vollständig unabhängig zu erbringende Leistung.
  • Die Habilitation ist ein Verfahren, mit dem man die volle Prüf- und Lehrbefugnis in einem akademischen Fach (die Venia legendi) erwirbt. Traditionell ist die Habilitation also die Voraussetzung dafür, sich um das Amt der Professur zu bemühen. Berufungskommissionen setzen sich aber auch gerne mal darüber hinweg und lassen Nichthabilitierte berufen. Das Habilitationsverfahren ähnelt einem Promotionsverfahren. Der wesentliche Unterschied ist, dass man bei der Habilitation nicht betreut wird, sondern selbständig forscht. (An dieser Stelle könnte man nicht nur für das deutsche System diskutieren, ob dieser Unterschied in der Praxis wirklich besteht.) Die Habilitation führt auch im Gegensatz zur Promotion nicht zum Erwerb eines akademischen Titels und verschafft den Habilitanden auch nicht automatisch ein bestimmtes Amt. Eine Habilitation an sich ändert demnach nichts an der Anrede der Person.
  • Zum Sprachgebrauch: Man promoviert bei seinen Betreuern und Gutachtern (altmodisch: Doktoreltern, also Doktorvater und Doktormutter), aber man habilitiert sich an einer Fakultät. Achten Sie auf die Präpositionen und das Reflexivpronomen sowie die Tatsache, dass man bei der Habilitation im Gegensatz zur Dissertation keine Betreuer hat. Ganz falsch zum Beispiel: Ich habe bei Professor Halmackenreuter habilitiert. Ebenso falsch: Schön, dass du bei mir habilitieren willst! Richtig hingegen: Ich habe mich an der Philosophischen Fakultät der Universität von Bad Oeynhausen habilitiert und war dort Mitarbeiter von Professor Halmackenreuter. Ebenfalls richtig: Schön, dass du in meiner Arbeitsgruppe arbeiten möchtest und dich an unserer Fakultät habilitierst!

Status, Titel und Anrede

  • Professoren sind verbeamtete Personen, die ein Universitätsfach in Lehre und Forschung vertreten, voll prüfungsberechtigt sind und in der Regel acht oder neun SWS unterrichten müssen. Es gibt W2-Professuren und W3-Professuren, wobei die W3 altertümlich auch Lehrstuhl heißt. Im Gegensatz zu früher ist es nicht mehr üblich, öffentlich zu kennzeichnen, wer eine W3 (einen Lehrstuhl) und wer eine W2 hat. Der Unterschied liegt hauptsächlich in der Bezahlung: W2 und W3 sind schnöde Besoldungsgruppen für Beamte.
  • Emeriti (M. Sg. Emeritus, F. Sg. Emerita, F. Pl. theoretisch Emeritae oder Emeritä) sind Professoren im Ruhestand. Die Anrede erfolgt wie bei Professoren.
  • Privatdozenten sind habilitierte Personen, die keine Professur haben. Entweder sind sie anderweitig an einer Universität beschäftigt, außerhalb des akademischen Bereichs tätig oder arbeitslos. Die Universität, an der sie sich habilitiert haben, führt sie dabei sozusagen ehrenhalber als Privatdozent. In der Anrede wird niemals PD oder Priv.-Doz. benutzt. Die Anrede erfolgt wie bei Doktoren ohne Professur.
  • Juniorprofessuren sind Professuren, die keine Habilitation voraussetzen. Sie wurden als alternativer Weg zur vollen Professur konzipiert. Eigentlich sollte man von der Juniorprofessur ohne Habilitation direkt auf eine normale Professur berufen werden können. In der Realität wird auch Juniorprofessoren oft dazu geraten, aus strategischen Gründen ein Habilitationsverfahren zu absolvieren. Juniorprofessoren verdienen im Vergleich zu vollen Professoren weniger (Besoldung nach W1), haben weniger oder keine Mitarbeiter und sind auf Zeit (i.d.R. fünf Jahre) beschäftigt. In vielen Fällen können Juniorprofessoren nach einer positiven Evaluation ihrer Leistungen auf eine volle W2- oder W3-Professur befördert werden (sog. Tenure-Track-Juniorprofessuren). In der Anrede sind sie wie andere Professoren zu behandeln.
  • Honorarprofessoren haben die Professorenwürde ehrenhalber erhalten. Sie erhalten ironischerweise gerade kein Honorar für ihre Tätigkeit. (Das Element “Honorar” bezieht sich leider auf das lateinische Wort honor für “Ehre”, nicht auf deutsch Honorar.) Rechtlich gesehen sind sie nebenberufliche Professoren, die entweder außerhalb der Universität arbeiten oder eine Mitarbeiterstelle o.ä. haben. In der Anrede sind Honorarprofessoren genau wie Professoren zu behandeln.
  • Vertretungsprofessoren vertreten eine Professur, die momentan nicht dauerhaft besetzt (und damit vakant) ist. Je nach Art des Dienstvertrages und je nach Universität darf die Person den Professorentitel führen oder nicht. Es ist generell aber unüblich, dass Vertretungen den Titel führen. Bei der Anrede hilft nur, zu fragen, wie die Person es handhabt. Verdient wird auf diesen Stellen sehr unterschiedlich. Ich habe auch schon auf einer Vertretungsstelle (schön billig als nominelle Gastdozentur vergeben) weniger verdient als auf meiner für die Vertretung unterbrochenen Mitarbeiterstelle nach Ländertarifvertrag.
  • Sogenannte wissenschaftliche Mitarbeiter sind meistens Personen, die entweder gerade promovieren oder sich gerade habilitieren. Sie arbeiten auf sogenannten Förderstellen (Laufbahnstellen, Nachwuchsstellen) und haben fast immer zeitlich befristete Verträge. Auf einer Promotionsstelle muss man normalerweise zwei SWS pro Semester und auf einer Habilitationsstelle (modern auch Post-doc-Position) vier SWS pro Semester unterrichten. Man darf (per Gesetz) nur maximal sechs Jahre als Doktorand und maximal sechs Jahre als Habilitand (modern auch Post-Doc oder altmodisch Assistent) arbeiten, insgesamt also maximal zwölf Jahre. Danach (1) bekommt man eine Professur, (2) wird man entfristet (siehe nächster Punkt), was so gut wie nie geschieht, (3) wird man Lehrkraft für besondere Aufgaben, (4) arbeitet man auf befristeten Drittmittelstellen oder (5) wird man arbeitslos bzw. muss sich einen anderen Job suchen. (Wichtig! Rechtzeitig FzF machen!)
  • Es gibt wenige entfristete wissenschaftliche Mitarbeiter, die eine Dauerstelle haben und dann aber auch entsprechend mehr unterrichten müssen (meist acht SWS pro Semester oder mehr). Nur noch selten gibt es akademische Räte (besser bezahlte entfristete wissenschaftliche Mitarbeiter, oft habilitiert). Die Anrede erfolgt einfach gemäß akademischem Titel.
  • Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA, promoviert oder nicht) haben nicht immer, aber recht oft Dauerstellen. Ihre Aufgabe ist nur die Lehre, und eigene Forschung wird in der Regel nicht erwartet. Die Lehrverpflichtung beträgt meist 16 SWS pro Semester, die Bezahlung ist mäßig angesichts der Qualifikation, die LfbAs meistens haben. Die Anrede erfolgt auch hier gemäß akademischem Titel.
  • Mitarbeiter auf sogenannten Drittmittelstellen können auch über die  zweimal sechs Jahre (siehe unter wissenschaftliche Mitarbeiter) befristet forschen. Das funktioniert, wenn sie aus Projektgeldern (Drittmitteln) bezahlt werden, die mit großem Aufwand und fast ausschließlich von Professoren bei bestimmten Organisationen (wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, DFG) beantragt werden müssen, um ein bestimmtes Forschungsprojekt durchzuführen. (Achtung! Drittmittel sind fast ausschließlich Steuergelder, die für die Forschung von staatlichen Institutionen wie der DFG umverteilt werden. Ich dachte in meinem Studium naiverweise immer, es handle sich um Geld aus Industrie und Wirtschaft oder aus Stiftungen.) Solche Stellen laufen immer nur drei bis sechs Jahre, mit viel Glück kann man zwölf Jahre in größeren Forschungsstrukturen (z.B. sogenannten Sonderforschungsbereichen oder Exzellenzclustern) überbrücken. Danach ist man dann wieder am selben Punkt wie am Ende von wissenschaftliche Mitarbeiter beschrieben, also im ungünstigsten Fall arbeitslos. Über die Anrede von Mitarbeitern auf Drittmittel bitte ebenfalls gemäß akademischem Titel entscheiden.